Insbesondere in der Schweiz sind die heute gültigen Kirchenordnungen schwankend: Versehen die Pfarrer ein Amt, oder sind sie Angestellte?
Wer ein Amt versieht, übernimmt ein Bündel von Aufgaben, von denen meist nicht ganz klar sind, wo sie beginnen und enden wie sie untereinander zu gewichten sind. Von Amtsinhabern wird zu recht erwartet, dass sie dieses Aufgabenbündel mit einer hohen Eigenverantwortung angehen und das Notwendige auch wirklich tun, selbst wenn dies einen Einsatz erfordert, der über das Mass einer einzufordernden Lohnarbeit hinaus geht. Umgekehrt gehört deshalb zu einer Amtsausübung immer auch ein hohes Mass an Freiheit, die Arbeiten so auszuführen, wie es der persönlichen Überzeugung entspricht und die faktischen Möglichkeiten erlauben. Besonders wenn die rechte Erfüllung über weite Strecken eine Gewissensfrage ist, die sich kaum objektiv beurteilen lässt, ist ein solches Verständnis naheliegend.
Eine Anstellung nimmt einen Menschen zu ziemlich präzise definierten Bedingungen für eine zum voraus begrenzte Zeit in Anspruch, damit er innerhalb dieser Vorgaben die Aufgaben ausführe, die ihm zugeteilt werden. Eine Anstellung setzt voraus, dass Vorgesetzte die Hauptverantwortung tragen, insbesondere auch für das, was sich in den Grenzen des Anstellungsverhältnisses nicht erledigen lässt. Nach den vereinbarten Arbeitsstunden darf ein Angestellter seinen Arbeitsplatz verlassen, ohne sich um das Ungetane kümmern zu müssen.
Verständlicherweise neigen in den Kirchgemeinden alle dazu, die eigenen Rechte möglichst gross, die Pflichten dagegen möglichst klein zu halten. Die Pfarrerinnen und Pfarrer sind geneigt, für ihr Wirken das Gestaltungsrecht, den Rechtsschutz und die Freiheiten einer amtlichen Tätigkeit in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig doch auch die Arbeitsbegrenzungen und Entlastungen eines Anstellungsverhältnisses einzufordern (oder sich diese zumindest zu wünschen). Umgekehrt stellen sich die Kirchgemeinden rasch einmal vor, ihr Pfarrer sollte seine Aufgaben als Amtspflicht verstehen und mit einer entsprechend opferbereiten Hingabe erfüllen, gleichzeitig sollte er aber auch bereit sein, von seinem Arbeitgeber Weisungen zu empfangen und sich wie ein Angestellter kontrollieren zu lassen, und bei gravierenden Schwierigkeiten sollte sich das Anstellungsverhältnis ohne allzu grosse Mühe auflösen lassen.
Insbesondere bei der sogenannten Residenzpflicht brechen solche Widersprüche auf. Wer gehalten ist, in eine Amtswohnung zu ziehen, übernimmt mit seiner ganzen Familie eine amtliche Pflicht. Wenn die Erwartung einer solchen ganzheitlichen Präsenz in ein scheinbar begrenztes Anstellungsverhältnis gekleidet ist, erwachsen daraus Spannungen, die zu diffusen Kränkungen Anlass geben und in die Versuchung führen, Massnahmen zu verfügen, die unrecht und lieblos sind, wo ein Mensch sein ganzes Leben an eine Aufgabe verschenkt hat.
Da die gültigen Rechtsordnungen das Verhältnis von Amt und Anstellung oft in der Schwebe halten, ist es umso wichtiger, dass alle Beteiligten die damit aufbrechenden Fragen von Anfang an offen ansprechen und sich im Laufe der Zusammenarbeit immer wieder klarmachen, dass sich an diesem Punkt quälende Konflikte entzünden können: Rasch einmal ist jeder Mensch sich selber der Nächste und leidet an dem, was er an Lasten zu tragen und an Freiheiten entbehren muss, und gewichtet im Vergleich dazu wenig, was deswegen andere zu leisten und an Einschränkungen zu dulden haben.