Gefahren

Zu allen Zeiten war die pfarramtliche Tätigkeit von innen und aussen bedrängt und gefährdet. Diese Gefahren wurzeln in den Versuchungen, die alles geschöpflich Gute vergiften, verführen und verderben, dadurch, dass sie das Begehren wecken nach dem, was scheinbar besser ist als das, was uns Menschen in unseren unterschiedlichen Stellungen gegeben ist (1.Mose 3,5; 4,1-12).

Aus dem eigenen Innern kommt, was Amtsinhaber dünkelhaft, lieblos, gleichgültig oder besserwisserisch werden lässt uns sie mit Missgunst und Neid auf die Erfolge anderer sehen lässt. Wer ein Pfarramt erstrebt, sucht in der einen oder anderen Weise ein Rampenlicht und ist dementsprechend besonders anfällig für Ehrsucht, hungrig nach Anerkennung und Lob und empfänglich für Schmeichelreden und versucht, mehr zu Schau zu scheinen als man ist.
Vor allem aber droht die Versuchung, aus den vielen tagtägliche Mühen und Schwierigkeiten in den Traum von einer anderen, besseren, wahren kirchlichen Gemeinschaft zu fliehen und Kräfte zu zerschleissen mit Konzepten, Plänen, Diskussionen, Strategiesitzungen und Streitigkeiten, die solchen „Reissbrettkirchen“ (Ernst Lange) gewidmet sind. Sogar Dietrich Bonhoeffer hat sich während seiner Haft zeitweise in  solche Skizzen einer ganz anderen Kirche verstrickt.

Von aussen drohen dementsprechend herabsetzende, „problematisierende“ Reden in der Kollegenschaft und destruktive Interventionen von konkurrierenden Vereinigungen, Institutionen und Ämtern. Vor allem aber wird der Dienst an der biblischen Botschaft beschwert von anmassenden Ansprüchen, unrealistischen Erwartungen, ungerechten Vorwürfen, und angefeindet und schlecht gemacht von alternativen Angeboten mit dem Versprechen einer Lebenserfüllung, die einfacher, leichter und schneller, schon im Hier und Jetzt zu finden sei.

Seit die evangelischen Kirchen nicht mehr von der Staatsmacht geriert werden, verstehen sich ihre obersten Verwaltungsorgane als „Kirchenleitungen“ und beanspruchen für sich das Recht und die Pflicht, mit Stellenbeschrieben, Mitarbeitergesprächen, Leistungsvorgaben, Profilschärfungen, Schwerpunktsdefinitionen und anderen ordnenden Massnahmen dem kirchlichen Leben zu einer grösseren sozialen Präsenz und Ausstahlung zu verhelfen. Da die Gemeindeautonomie in den evangelischen Kirchen zuvor kaum folgendeschwere Eingriffe erlaubte, haben sie keine Kultur für einen wachsamen Umgang mit dieser neuen Zentralmacht eingeübt. Keine Tradition regelt den Zugang zu der ungewohnt grossen Zentralmacht auf altbewährte Weise. Vielmehr droht die Gefahr, dass diese neue Machtfülle Menschen anzieht, die mit gesetzlichen Regelungen neue Verhaltensweisen erzwingen möchten und dadurch die alltägliche pfarramtliche Arbeit weiter erschweren.

Die seelische und körperliche Gesundheit der Amtsinhaber ist deshalb im Moment stärker gefährdet als vor zwei, drei Generationen. Versicherungsstatistisch gemessen gehören im Kanton Bern die Pfarrerinnen und Pfarrer seit einigen Jahren zu denjenigen Berufstätigen, die am häufigsten und am längsten krank geschrieben sind. Wer sich mit Liebe und Leidenschaft den pfarramtlichen Berufsaufgaben widmen möchte, muss diese zeitbedingten Gefahren nüchtern in sein Bedenken nehmen.

 

 

 

 

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