Diese Seite soll Interessierten die Möglichkeit bieten, Klarheit zu gewinnen über die geschichtlichen Grundlagen und die momentane Krise des Pfarramtes. Insbesondere bei Stellenbesetzungen oder innergemeindlichen Versuchen einer Neuausrichtung zeugt es von Bescheidenheit und Verantwortungsbewusstsein, wenn man sich klar zu machen versucht, was real vorgegeben und was alles schon versucht worden ist, und was unklar, umstritten oder Produkt von einem reinen Wunschdenken ist.
Die hier dokumentierten Überlegungen verdanken sich im Wesentlichen der Forschungsarbeit, die ich in meinem Buch „Das Pfarramt“ dokumentiert und in Diskussionen im kollegialen Kreis zu überprüfen versucht habe (siehe die entsprechende Seite und den Link zum Evangelisch-theologischen Pfarrverein).
Pfr. Dr. Paul Bernhard Rothen, Effretikon
Während Jahrhunderten bot das Pfarramt die Möglichkeit, das theologische Wissen und eine lebenslange pastorale Erfahrung zu verbinden. Schriftgelehrsamkeit und Lebenserfahrung konnten sich gegenseitig durchdringen und klären; nachdenkliches Verstehen und praktische Bemühungen förderten eine Kultur zurückhaltender Urteilsbildung. Begrenzte, aber zuverlässige Erkenntnisse bildeten ein Gegengift zu ideologischen Gewaltsamkeiten.
So konnte das Pfarramt eine Lebensform sein, in der Menschen zu „Jüngern des Himmelreiches“ werden und ihr Leben lang vom Gekreuzigten und Aufstandenen lernen wollten. Sie waren es wert, von ihren Gemeinden als „Hirten und Lehrer“ geachtet zu werden (Matthäus 13,52; Epheser 4,11; 1.Thessalonischer 5,12).
Zu allen Zeiten war das Pfarramt aber auch eingespannt in einen Widerspruch: Auf der einen Seite stand es für eine amtliche, religiös-institutionelle Ehrwürdigkeit und Macht. Auf der anderen Seite liess und lässt sich der Auftrag Christi nur erfüllen mit einer opferbereiten Hingabe, die ihren Wurzelgrund hat in der Bereitschaft, die Lasten der andern zu tragen (Markus 10,42-45; Römer 12,2; Galater 6,2) – also im Verzicht auf Macht und Ehrwüdigkeit.
Wenn also die Amtsinhaber und ihre Familien eine „pfarrherrliche“ Würdigkeit ausgestrahlten, machte das vieles möglich, deckte aber auch Wichtigtes zu. Und sie selber mussten auch ihrerseits demütigende Behandlungen durch ihre Gemeinden, durch „gnädige Herren“ oder kirchliche Vorgesetzen erdulden. Das Potential für Verbitterungen und starre Rechthebreien war und ist dadurch gross.
In der Gegenwart scheint es, dass das Pfarramt seinen Platz im Sozialkörper der europäischen Völker verliert. Ein funktionales Verständnis der kirchlichen Dienste verspricht die Möglichkeit, auf die neuzeitlichen Entwicklungen flexibel zu reagieren und spezialisierte, arbeitsrechtlich besser abgegrenzte und damit auch teilzeitliche Tätigkeiten zu fördern. So bauen die Grosskirchen einen Dienstleistungsapparat auf und gliedern auch die Pfarrer und Pfarrerinnen ein in das Personal, das zentral betreut und gemanagt wird. Diese Entwicklung wird von vielen aus innerer Überzeugung gefördert, weil sie glauben, dass eine Funktion der vom Neuen Testament geforderten Dienstpflicht besser entspricht als ein Amt. Einige Landeskirchen haben das Pfarramt bereits ganz aus ihrer Rechtsordnung gestrichen.
Es ist aber offensichtlich, dass dadurch das Ineinander von theologischem Wissen und ganzheitlicher Lebenshingabe verloren geht, und dass kein anderer kirchlicher Dienst diesen Verlust an sozialer Präsenz und erfahrungsgesättigtem Verstehen ersetzen kann.
Deshalb gibt es nach wie vor Gemeinden, die sich wünschen, dass in ihnen die theologischen und pastoralen Aufgaben als eine Amtstätigkeit ausgeübt werden. Und es gibt nach wie vor Menschen, die nach einem Theologiestudium den Dienst der Verkündigung, Lehre und Seelsorge in einem Pfarramt und nicht in einer Funktion versehen möchten .
Die besonderen Chancen und Gefahren, die sich daraus ergeben, möchte diese Internetseite klärend ins Bewusstsein aller Verantwortungsträger rufen.
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